Die Entscheidung der EU, Atomenergie und fossiles Erdgas, als nachhaltig zu bewerten, sorgt für starke Diskussionen! Dahinter verbirgt sich die EU-Taxonomie, eine europäische Verordnung, die regelt, welche Investitionen als nachhaltig betrachtet werden und dazu beitragen, die ehrgeizigen Klimaziele des Green Deals zu erreichen. Doch welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf uns als Energieversorger und unser Verständnis von Nachhaltigkeit?
Der Paukenschlag zum Jahreswechsel wird uns noch lange beschäftigen. Atomenergie und fossiles Erdgas sind nachhaltig. So hat es die EU verkündet. Vorläufig. Seit langem wird heiß diskutiert, seit Neujahr noch heftiger. Es geht um die EU-Taxonomie. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine europäische Verordnung, die regelt, welche Investitionen als nachhaltig betrachtet werden und welche nicht. Genauer: Welche Investitionen tragen dazu bei, die ehrgeizigen Klimaziele des Green Deals zu erreichen. Nach den jüngsten Verlautbarungen wissen wir: Die EU plant, Atomenergie als klimafreundlich zu deklarieren. Fossiles Erdgas sieht sie ebenfalls als förderungswürdig an. Sie stuft Erdgas als Brückentechnologie ein, unverzichtbar während der gesamten Umstellung auf regenerative Energien. Der Graben ist längst deutlich: Europa entwickelt ein anderes Verständnis von Nachhaltigkeit als Deutschland. Damit wird die Taxonomie zur Herausforderung für deutsche Energieversorger – und leider gerade für diejenigen, die in punkto Nachhaltigkeit weit fortgeschritten sind. Also insbesondere für uns, die Stadtwerke Karlsruhe.
Stellen wir das Positive in den Vordergrund: Nichts von dem ist vergebens, was wir in den letzten 25 Jahren in punkto Nachhaltigkeit unternommen haben. Hätte der Strom eine Farbe, wäre er beim Ökostrom Tarif der Stadtwerke Karlsruhe in einem sehr dunklen Grün. Wir legen jedes Jahr einen ökologischen Geschäftsbericht vor. Darin ist ein ausführliches Klimakapitel mit Zahlen, Fakten und Zielen enthalten. Seit 25 Jahren arbeiten wir mit EMAS, das als weltweit anspruchsvollstes
Umweltmanagementsystem gilt. Auch im Vertrieb vermarkten wir unsere Ökostrom Tarife laut und offensiv.
Trotzdem wird klar: Wir müssen das Tempo weiter hoch halten. Schauen wir in unseren Maßnahmenplan: Bis zum Jahr 2030 wollen wir unsere eigenen Treibhausgasemissionen um 71 Prozent und die produktbedingten CO2-Emissionen um 58 Prozent gegenüber dem Jahr 2010 reduzieren. Konkret bedeutet das: Wir wollen 50.000 Kunden zu einem Wechsel in unseren Ökostrom-Tarif bewegen. Eine Herausforderung für Vertrieb und Marketing. Wir tun gut daran, uns an unseren Kund*innen zu orientieren.
Darum dürfen wir uns keinesfalls hinter der Taxonomie oder der Bürokratie verstecken. Mein Appell: Lasst uns in die Offensive gehen. Diese Kund*innen haben ein anderes Verständnis von Nachhaltigkeit als die EU. Im Jahr 2020 hat das Bundesamt für nukleare Sicherheit eine Studie in Auftrag gegeben. Danach begrüßen 76,2 % der Bundesbürger*innen den Atomausstieg noch immer. In Baden-Württemberg liegt die Quote mit 79,8 % sogar noch höher. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Darüber hinaus wissen wir aus der Vergangenheit, dass das Thema stark emotional besetzt ist. Aus diesen Gründen bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass wir Stadtwerke Karlsruhe unsere Ziele nur erreichen können, wenn wir als Unternehmen die Einstellungen unserer Kund*innen ernst nehmen. Wir müssen klar Stellung beziehen: Atomkraft ist nicht nachhaltig – nicht in unserer Definition. Atomkraft ist zudem weder billig noch CO2-frei. Atomkraft ist nachhaltig gefährlich und behindert den schnellen Übergang zu erneuerbaren Energien.
Während die Bundesregierung in der Frage von Gas gespalten ist, bleibt sie bei der Atomkraft klar: Eine Renaissance der Atomkraft steht nicht zur Debatte. Das sollte auch unsere Position sein. Von dieser Glaubwürdigkeit wird es entscheidend abhängen, ob wir unsere unternehmerischen Vertriebsziele bei den Ökotarifen erreichen. Als Energieversorger in Europa ist die Taxonomie eine wichtige Weichenstellung für uns.
Allerdings: Wenn unsere eigenen Maßstäbe strenger sind, als es in der Taxonomie definiert ist, dürfen wir nicht auf ein überholtes Nachhaltigkeitsniveau zurückfallen. Die überwiegende Anzahl unserer Kund*innen würde es nicht akzeptieren. Lasst uns alles dafür tun, unser hohes Niveau zu erhalten und weiter auszubauen.
Iman El Sonbaty hat in den USA BWL studiert, spricht 7 Sprachen, ist ein Digital Native, Agile Leader und jetzt im Top Management bei den Stadtwerken Karlsruhe aktiv.
Dort verantwortet Sie als Prokuristin den Privatkundenvertrieb, die Marketing Themen sowie den Operations Bereich.