In der Stadt ist immer Licht um uns. Es strukturiert unseren Tag, es beeinflusst unsere Stimmung. Es gibt Sicherheit, leitet unsere Wege, und es unterhält uns in Form von Lichtbildern oder Kunst. Überraschend viele Orte in Karlsruhe befassen sich mit dem optischen Phänomen. Helligkeit und Glanz und Klarheit sind positiv besetzt, und das ist auch medizinisch erklärbar. Denn eine Reihe von hormonellen und organischen Abläufen im menschlichen Körper ist von Licht gesteuert.
Bis zu 100.000 Lux wirken an einem sonnigen Sommertag auf den Körper ein – im Winter dagegen ist es nur ein Bruchteil davon. Kein Wunder also, dass die Anfälligkeit für depressive Erkrankungen steigt. Oftmals hilft eine Lichttherapie. Tageslicht ist für die Gesundheit am besten – Augen und Haut nehmen es auf. Künstliches Licht wirkt je nach Farbe und Intensität unterschiedlich: Kaltes, bläuliches Licht zum Beispiel wirkt eher anregend und aktivierend als warmes, gemütliches Gelb. Die Menge und die Qualität des Lichts um uns herum wirkt auf die Gesundheit, auf die Stimmung, Aktivität und auf die Lust.
Interessant ist eine relativ junge medizinische Erkenntnis: In den 90er-Jahren fanden britische Forscher einen neuen Zellentyp in der Netzhaut von Säugetieren. Diese Zellen sind photosensitiv – reagieren also auf Licht – dank dem Pigment Melanopsin. Ihre Aufgabe ist es, Informationen über Umgebungshelligkeit an das Gehirn weiterzugeben: Huston, es dämmert. Sie steuern die Funktion der inneren Uhr und die Pupillenreflexe sowie die hormonelle Aktivität, die mit dem Licht verbunden ist. Da diese Zellen nicht zum Sehen beitragen, nennt man sie »nichtvisuell.«
Seit dieser Entdeckung kann man mithilfe von Lichtstimmung positiv auf Menschen einwirken und beispielsweise eine wache, konzentrierte Atmosphäre schaffen. Nicht nur Schülerinnen und Schüler, Studierende oder Büropersonal können davon profitieren.
Wachheit und Stimmung mithilfe von Spektralfarben zu steuern ist ein Forschungsthema am Lichttechnischen Institut des KIT in Karlsruhe. Dessen Leiter Prof. Dr. rer. nat. Cornelius Neumann erklärt: »Im Vordergrund unserer Forschungsarbeit steht der Gedanke, Licht für den Menschen effizient und gewinnbringend zu erzeugen und zu nutzen. Wir stellen Licht in den Mittelpunkt unserer Forschung und Lehre rund um Sicherheit und Komfort, besonders am Automobil.« Der Physiker macht folgende grundsätzliche Unterscheidung. »Wir betrachten die direkte visuelle Wirkung – also beispielsweise gute Sichtbarkeit oder das Problem von Blendung durch Licht – sowie die nichtvisuelle Wirkung – also Wachheit und Stimmung.«
Ganz unmittelbar wirkt Licht zum Beispiel, wenn man von einem entgegenkommenden Fahrzeug mit aufgeblendetem Fernlicht geblendet wird. Das ist eine Gefahr. »Wir arbeiten gerade an der Fortentwicklung eines Systems, das sich Adaptive Driving Beam nennt. Beim adaptiven Scheinwerfer identifiziert eine Kamera vorausfahrende oder entgegenkommende Fahrzeuge und nimmt diese aus dem Fernlichtstrahl aus. Das Ergebnis: Sicheres und blendungsfreies Fahren für alle Beteiligten bei dauerhaft eingeschaltetem Fernlicht.« Möglich ist das über die Zuordnung von LED zum Straßenraum, für die Fahrzeugbeleuchtung von bis zu 100 LEDs pro Scheinwerfer nötig sind.
1 h für die Erde – unter diesem Motto nimmt Karlsruhe jährlich an der vom World Wide Fund for Nature (WWF) ins Leben gerufenen Aktion »Earth Hour« teil. Im März gehen die Lichter an bekannten Gebäuden und Sehenswürdigkeiten aus, um ein Zeichen für mehr Klimaschutz und gegen das Artensterben zu setzen. Der nächste Termin ist der 27.März 2021.
Auch für die Sicherheit fördernde Kommunikation zwischen Fahrzeug und anderen Verkehrsteilnehmern schafft die vielseitige LED-Technik neue Möglichkeiten. Die werden nötig mit zunehmender Automatisierung der Fahrzeuge. Ein Fußgänger kann sich beispielsweise nicht sicher sein, dass das Fahrzeug ihn erkannt hat und tatsächlich am Fußgängerüberweg anhalten wird. Ein so genanntes Vertrauenslicht kann signalisieren »Ich habe dich gesehen und werde für dich halten.«
Die Frage, wie man Mitarbeitern mithilfe von Licht eine ansprechende und wertschätzende Arbeitsumgebung schaffen kann, stellt sich auch Dietmar Lorenz. Der in Karlsruhe ausgebildete und dort noch heute ansässige Architekt ist Gründer von LR Architektur Licht Landschaft und gibt sein Wissen im Rahmen von Lehraufträgen weiter. Er schildert seine Vorgehensweise anhand der Beleuchtung einer Firma mit Produktion im Dreischichtbetrieb: »Wir müssen natürlich ganz klar funktionale Aufgaben erfüllen. Aber wir lassen auch unsere Kreativität spielen, um sowohl die Architektur als auch die Pflanzen in Szene zu setzen. Zum Beispiel haben wir Bäume auf dem Gelände so angeleuchtet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachtschicht nicht einfach zum Fenster hinaus ins Dunkle schauten, sondern stattdessen ein Stück Natur sehen. Licht macht Räume lesbar und erlebbar, beeinflusst die Atmosphäre des Ortes und wirkt direkt auf die Stimmung der Nutzer.«
Den Bezug zur Natur herzustellen, ist ebenfalls immer wieder ein Anliegen. Das fordert auch der Lichtplan der Stadt Karlsruhe von 2008: Karlsruhe soll als Stadt am Wasser stärker in Szene gesetzt werden. So auch in Weiherfeld: Hier unterquert eine Straße gemeinsam mit der Alb eine Eisenbahnbrücke. Der Vorschlag des noch nicht realisierten Siegerentwurfs von Dietmar Lorenz und Kollegen nutzt das Wasser als bewegliches Lichtelement. Die Bewegung der Wasseroberfläche soll sich auf dem Brückenpfeiler spiegeln und so das Bewusstsein des Publikums für das Flüsschen Alb steigern, das bei normalem Wasserstand zwei Meter unterhalb der Straße fließt und dann kaum sichtbar ist.
Da ist Licht in manchem Glauben
Chanukka ist das Lichterfest der jüdischen Gemeinden. An den Festabenden stecken die Feiernden Kerzen auf dem acht- oder neunarmigen Chanukka-Leuchter, der Chanukkia, an.
Christen entzünden zu Weihnachten Lichter, um die Geburt von Jesus zu feiern, der nach christlicher Auffassung das Licht in die Welt gebracht hat.
Zu Diwali vertreiben die Hindus mit Feuerwerk und Lichterketten die Dunkelheit – ein Zeichen für den Sieg des Guten über das Böse.
Fassaden und andere Oberflächen sind gewissermaßen die »leere Leinwand« auf der das 1999 gegründete Künstlerkollektiv von PONG.LI mit seinen Lichtprojektionen und interaktiven Installationen arbeitet. Die Karlsruherinnen und Karlsruher lernten die Lichtkünstler bei den Schlosslichtspielen zum Stadtgeburtstag 2015 kennen, als sie mit der interaktiven Fassadenprojektion »Capture the Pyramide« einen Publikumserfolg landeten.
»Unsere Lichtinstallationen funktionieren immer nur an einem bestimmten Ort. Einen Film kann man auf jeder Kinoleinwand abspielen, aber wir nutzen für unsere Projektionen die Eigenheiten der gegebenen Fassade«, erklärt Andreas Siefert, Gründungsmitglied und heute Geschäftsführer von PONG.LI. »Die Architektur und unsere Projektion spielen zusammen. Mit dem Licht, das wir setzen, spielen wir sozusagen Gott – wir schaffen Schatten oder ebnen sie aus, bringen Bewegung und optische Mehrdimensionalität ins Spiel.« Mit ihren Arbeiten sind PONG.LI bei Medienkunstausstellungen, Opern- und Theaterproduktionen mit Großbildprojektionen sowie Architektur-Mappings tätig. Projektionen zählen ebenso zu ihrem Repertoire wie Inszenierungen und Rauminstallationen.
Nicht alle Arbeiten von PONG.LI sind künstlerisch und frei, »aber wir starten jedes Mal von Neuem mit der Frage, welche Technik dem Zweck am besten dient. Was wir für Museen oder Unternehmen konzipieren und umsetzen, soll den Nutzern Spaß machen. Analog oder digital – das ist uns erst einmal egal. Wir folgen immer der Devise ›Form follows Function‹.« Und dabei steht häufig Licht im Mittelpunkt. Holografische Effekte sind eine andere Möglichkeit, Dinge anschaulich zu machen – die Projektionsfläche verschwindet ganz, nur noch Licht bleibt für den Betrachter.
Vom 30. November bis zum 23. Dezember zeigt PONG.LI im Rahmen der »Seasons of Media Arts« im Karlsruher Stadtraum das Projekt »Saving Water« in dem es um den verantwortungsvollen Umgang mit Wasser geht. Die Besucherinnen und Besucher lernen auf spielerische Art mithilfe einer App mehr über das Thema und kontrollieren das Geschehen mit ihrem Smartphone. Und wieder wird eine Karlsruher Fassade eine wichtige Rolle spielen, die Fassade der HypoVereinsbank am Stephanplatz.
Heute, in den 20er-Jahren des 21. Jahrhunderts, wird die LEDTechnologie immer leistungsfähiger und besser in der Farbwiedergabe, wie Katrin Burger ausführt. Die Geschäftsführerin des gleichnamigen Inneneinrichtungshauses erläutert: »LED verändert viel – sowohl im Bereich technische Leuchten als auch bei den dekorativen Leuchten. LEDs verbrauchen heute immer weniger Strom, so dass man sie als mobile Akkuleuchten nutzen kann. Damit ist man viel unabhängiger darin, wie man die Lampe nutzt – ich kann mir das Licht unkompliziert dorthin holen, wo ich es benötige.« Weiterer Vorteil: Es ist Schluss mit Stolperfallen und Kabelsalat. Die Lampe hat eine Ladestation an der Stelle, wo man sie in der Regel nutzt. Außerdem können Leuchten stärker geformt und auch in der Gestaltung filigraner werden. So treten sie hinter anderen Dekorationselementen zurück – etwa, indem sie so dezent über dem Esstisch hängen, dass man denkt, das Licht kommt aus dem Nichts.«
Über das Alltagspraktische hinaus arbeiten die Studierenden an der Hochschule für Gestaltung (HfG), zum Beispiel am Lehrstuhl für Produktdesign, daran, Beleuchtungsformen von morgen zu gestalten. »Unsere Studierenden achten sehr auf einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Ich ermutige sie darin, Dinge so sorgfältig zu gestalten, dass sie lange in Gebrauch bleiben und vielleicht sogar von Generation zu Generation weitergegeben werden. Lokale Fertigung, recyclebare Materialien sind weitere Aspekte der Nachhaltigkeit«, sagt Chris Kabel, seit vergangenem Jahr Professor für Produktdesign an der HfG.
Ein gutes Beispiel dafür ist die zurückliegende Diplomarbeit eines Studenten, Simon Diener: »Brittle Objects« – zu Deutsch zerbrechliche oder spröde Objekte – stellt eine Neugestaltung des bisherigen LED-Leuchtmittels dar. Es geht darum, die in einer LED-Leuchte verwendeten Materialien auf sparsame Art neu zu verwenden. Durch sortenreine Verwendung ist der Prozess des Recyclings am Ende der Objekt-Lebensdauer schon mitgedacht. Grundbaustein der von Simon Diener ersonnenen Leuchte sind zwei keramische Fliesen, die die maximal reduzierten elektrischen Bauteile fassen. Damit soll bewusst eine neue Sichtweise auf elektronische Produkte angeregt werden.