»Krisenmanagement ist Präventionsarbeit.«
Das Coronavirus hat viel Sorge und Veränderungsdruck mit sich gebracht. Für viele bedeutet das, mal etwas grundsätzlicher über die Sicherheiten des Lebens nachzudenken. Zum Beispiel darüber, ob Strom und Trinkwasser auch in einer Pandemie verlässlich verfügbar sind. Ein Gespräch mit Markus Bachmann und Markus Schneider von den Stadtwerken Karlsruhe.
Interview: Cordula Schulze
Wenn sich in der Krise die Krisenmanager Zeit nehmen für ein Gespräch, geht es lebhaft zur Sache. Seit mehr als sechs Wochen haben die beiden Gesprächspartner durchgearbeitet, Tag und Nacht mit dem Ohr am Telefon, in ständigem Austausch. Sie sind ein eingespieltes Team, gegenseitige Stichwortgeber und Menschen, die die Arbeit des anderen wertschätzen. Zum Gespräch, das coronabedingt am Telefon stattfindet, haben sich eingefunden Diplomingenieur Markus Bachmann (im Bild links), oberster Krisenmanager bei den Stadtwerken – genauer gesagt Leiter der Taskforce Pandemie –, sowie Markus Schneider (im Bild rechts), Kommunikationsverantwortlicher bei den Stadtwerken Karlsruhe.
Die Stadtwerke Karlsruhe sind Betreiber einer kritischen Infrastruktur im Bereich der Energiewirtschaft. Was bedeutet das eigentlich?
Markus Bachmann: Die Stadtwerke sind verantwortlich dafür, dass die Bevölkerung wichtige, teils lebenswichtige Güter und Dienstleistungen erhält. Gäbe es beispielsweise kein Trinkwasser, keinen Strom, kein Gas oder keine Fernwärme, würden erhebliche Versorgungsengpässe, Störungen der öffentlichen Sicherheit oder vergleichbare Folgen eintreten. Die Stadtwerke betreiben auch das zweitgrößte Telekommunikationsnetz in Karlsruhe, an dem zum Beispiel die Telefone der Stadt, der Verkehrsbetriebe und der Stadtwerke selbst hängen, das ebenfalls zur wichtigen Infrastruktur zählt.
Auf welche Arten von Krisenfällen sind die Stadtwerke vorbereitet?
Markus Schneider: Jede Krise ist anders, weshalb wir auf jede Art von Krise vorbereitet sein müssen. Das klingt erst einmal fast unmöglich, aber wir haben fest definierte Rollen und folgen gegebenen Strukturen, um mit unserer Planung immer aktuell zu sein. Mit unserer hohen Methodenkompetenz können wir auch Unerwartetes bewältigen.
Bachmann: In unserem Handbuch für Krisenmanagement ist festgelegt, welche Personen aus dem Unternehmen den Krisenstab bilden. Geschäftsführer, Koordinator, Pressesprecher und Protokollanten bilden gewissermaßen das Kernteam. Dazu kommen je nach Lage Vertreter der jeweiligen Fachbereiche. Die erweiterte Zusammensetzung ist vorab bereits zusätzlich für drei Szenarien festgelegt worden: Stromausfall, Pandemie und Hackerangriff. Weitere Themen, auf die wir uns vorbereitet haben, sind unter anderem eine Verunreinigung des Trinkwassers sowie die Notwendigkeit, dass wir unsere Stadtwerke-Liegenschaften vollständig räumen müssten.
»Die erweiterte Zusammensetzung ist vorab für drei Szenarien festgelegt worden: Stromausfall, Pandemie und Hackerangriff.«
Und wie findet diese Vorbereitung konkret statt?
Bachmann: Damit wir in einer Krise auch wirklich handlungsfähig sind, müssen wir natürlich viel üben. Nur so können wir Abläufe verinnerlichen, Lücken in der Planung beheben und dann im Ernstfall auf der Basis des Geübten beherzt handeln. Wir sind vorbereitet, haben klare Ablaufprozesse, Arbeitsmethoden geschult, Kommunikationswege definiert und Verantwortlichkeiten festgelegt. Wir üben übrigens nicht nur Stadtwerke-intern, sondern absolvieren jährlich eine Übung mit dem Verwaltungsstab der Stadt, sind mit den Betreibern der vorgelagerten Netze verbunden und nehmen alle drei bis vier Jahre an Baden-Württembergweiten Übungen teil.
Wann wurde Ihnen klar, dass Corona ein sicherheitsrelevantes Thema werden würde?
Bachmann: Mitte Februar, als sich das Coronavirus im Ausland mit besorgniserregender Geschwindigkeit verbreitete, haben wir uns bereits zusammengesetzt. Ende desselben Monats gab es dann die erste Sitzung der Taskforce Pandemie.
»Die Kommunikation ist in dieser Krise sehr wichtig. Wir sind permanent mit der Öffentlichkeit im Gespräch.«
Wie gewährleisten die Stadtwerke während der Coronakrise die Versorgungssicherheit?
Schneider: Als Betreiber einer kritischen Infrastruktur haben wir von Beginn an ein ganzes Maßnahmenbündel vorbereitet, eingeplant und – wenn nötig – auch umgesetzt. Konkret haben wir bereits im Februar eine Taskforce Pandemie eingerichtet, regelmäßige Abstimmungsrunden mit der Geschäftsführung und dem Betriebsrat terminiert und durchgeführt und einen Pandemiemanager – Herrn Bachmann – eingesetzt.
Bachmann: In diesem Team wurden und werden ganz konkrete Schutzmaßnahmen und Präventionspakete ausgearbeitet und umgesetzt. Ich nenne hier einige Beispiele: Wir haben Hygiene- und Desinfektionsmittel beschafft und bei der Ausgabe sogar die Kolleginnen und Kollegen in der richtigen Anwendung geschult. Sehr früh haben wir den Zugang für Besucher und Gäste beschränkt sowie Teams räumlich und zeitlich getrennt, um Infektionsketten gar nicht erst entstehen zu lassen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zu Beginn der Pandemie aus Urlaubs-Risikogebieten zurückkamen, erhielten ein 14-tägiges Betretungsverbot, das aber mobiles Arbeiten nicht ausschloss.
Schneider: Fast täglich evaluieren und ergänzen wir diese Schutzmaßnahmen. In der Hoffnung, dass eine schrittweise Entspannung eintritt, planen wir auch deren Lockerung. Und so gehen wir in der Taskforce Pandemie seitdem permanent vor. Wir überlegen, was nächste Woche ein Thema sein könnte. Auf welche Eventualitäten müssen wir uns vorbereiten? Damit unsere Kolleginnen und Kollegen immer wissen, welche Maßnahmen wann und warum anstehen, ist die Kommunikation in dieser Krise sehr wichtig.
Es ist uns klar, dass von allen viel verlangt wird. Wir geben uns große Mühe, Transparenz herzustellen. Deshalb haben wir bereits seit Anfang März eine Telefonnummer nur für unsere Kolleginnen und Kollegen geschaltet. Sie sollen wissen, dass sie nicht alleingelassen werden, dass sie jederzeit Antworten auf ihre Fragen bekommen. Gleiches gilt für die externe Kommunikation: Wir sind permanent mit der Öffentlichkeit im Gespräch. Nur so kann man Verwirrung und Falschinformationen vorbeugen.
Die Planung muss also wirklich sehr detailliert sein.
Bachmann: Anhand der Rufbereitschaften kann man gut verdeutlichen, dass wir bis zum Extremfall planen und uns vorbereiten. Wir können nicht ausschließen, dass es zum Beispiel zu einem Wasserrohrbruch kommt und unsere Mitarbeiter in einen Quarantäne-Haushalt müssen. In einem solchen Notfall müssen wir unseren Mitarbeitern bestmöglichen Schutz geben. Dazu halten wir Notfallsets mit Schutzausrüstungen vor.
Schneider: Ein anderes Beispiel: Unsere Tankstelle ist eine der wenigen in der Region, die eine Notstromversorgung hat. Kommt es zu einer ernsten Krise, können wir hier Diesel für Notstromaggregate zapfen. Von denen haben wir zwei sehr leistungsfähige transportable Exemplare, die zum Beispiel ein Behelfskrankenhaus ohne eigene Notstromversorgung oder einen vom Stromnetz abgeschnittenen Stadtteil versorgen könnten.
Bachmann: Was wir außerdem planungsmäßig sehr intensiv durchdacht haben, ist die Besetzung der Netzleitstelle. Es gibt standardmäßig eine zweite, gewissermaßen eine Ersatzleitstelle, räumlich getrennt von der Hauptleitstelle. Im Moment laufen die beiden im Parallelbetrieb und werden von getrennten Schichten besetzt. So können wir nach einer Schicht die gesamte Leitstelle reinigen und desinfizieren. Zudem begegnen sich die Schichten nicht und können sich nicht gegenseitig anstecken. Bei höchster Gefahrstufe könnte man die Kolleginnen und Kollegen sogar auf dem Stadtwerkegelände kasernieren. Zum Glück war das bisher aber nicht nötig!
»Wir haben in Karlsruhe eines der schlausten und sichersten Stromnetze überhaupt.«
Welche technischen und organisatorischen »Sicherheitsmechanismen« gibt es – unabhängig von der aktuellen Pandemie – bei den Stadtwerken?
Schneider: Krisenmanagement ist zunächst einmal Präventionsarbeit. Wir blicken immer auf den Schutz der Mitarbeiter und sind technisch sehr gut aufgestellt. So haben wir in Karlsruhe eines der schlausten und sichersten Stromnetze überhaupt. Seit den 60er-Jahren ist es in einer Ringstruktur angelegt. Bei einer Störung kann man den Strom, der von der einen Seite zum Beispiel aufgrund eines Baggerschadens nicht mehr fließt, über die andere Seite des Rings wieder zuschalten. In der Regel dauert es daher nicht sehr lange bis zu einer Wiederversorgung.
Bachmann: Das ist richtig. Unsere Systeme haben schon in »Normalzeiten« einen absoluten Fokus auf Sicherheit und Redundanz – das bedeutet eine zusätzliche technische Ressource als Reserve. Wir setzen konsequent die n-1-Sicherheit im Stromnetz um. Das bedeutet, dass es immer mindestens ein Element mehr gibt, als man theoretisch benötigt. Im Umspannwerk haben wir beispielsweise zwei Trafos, die jeweils nur mit 50 Prozent ausgelastet sind. Fällt einer aus, übernimmt der andere dank der vorgesehenen Reserveleistung. In dieser n-1-Regel liegt unsere extrem hohe Versorgungssicherheit begründet. Und sie gilt auch für Gas und Trinkwasser – rund um die Uhr, auch in Coronazeiten!