17.08.2022
Stadtwerke-Chef Michael Homann über steigende Gaspreise und Einschränkungen im Winter
Wegen der aktuellen Energiekrise hat die Stadt Karlsruhe in öffentlichen Gebäuden die Warmwasserhähne zugedreht und Klimaanlagen ausgeschaltet. Außerdem sollen die Karlsruher durch den sorgsamen Umgang mit Erdgas und Strom ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten. Den Energieverbrauch der Stadt stets im Blick hat Michael Homann. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Stadtwerke Karlsruhe hat sich mit BNN-Redakteur Ekart Kinkel über die gestiegenen Gaspreise, kalte Wohnungen und die Zukunft von Großveranstaltungen im Winter unterhalten.
Gibt es genug Erdgas oder werden die Karlsruher in diesem Winter frieren?
Homann: Das ist eine spannende Frage. Von der Bundesnetzagentur werden derzeit verschiedene Szenarien errechnet. Zentrale Frage ist dabei, wie viel Gas noch aus Russland kommt. Eines steht aber bereits fest: Ohne Einsparungen werden wir es nicht über den Winter schaffen. Dafür ist die Situation einfach zu angespannt.
Wird der Gashahn stundenweise zugedreht?
Homann: Stundenweise die Energiezufuhr drosseln ist beim Gas sehr schwer umsetzbar. Wenn eine Mangellage eintritt, sind wir als Netzbetreiber ohnehin zuständig für das ganze Stadtgebiet. Das kann bedeuten, dass man den Verbrauch sehr kurzfristig reduzieren muss. Als erstes müssten bei einem solchen Szenario aber Industriekunden aufs Gas verzichten.
Der Gaspreis wird im Oktober um 55 Prozent erhöht. Was passiert, wenn jemand seine Rechnung nicht mehr zahlen kann?
Homann: Wenn jemand mit den steigenden Beiträgen nicht mehr zurechtkommt, werden unsere Kundenberaterinnen und Kundenberater mit den Leuten reden und nach Lösungen suchen. Das wird eine große Herausforderung.
Wie werden sich die Gaspreise in den kommenden Monaten entwickeln?
Homann: Das ist schwer zu sagen. Zu sehen ist bereits ein dramatischer Anstieg. Bei den Weltmarktpreisen für Gas gibt es eine Teuerung um das Acht- bis Neunfache. Beim Strom verhält es sich kaum anders. Konkret können wir die Entwicklung für das kommende Jahr noch nicht voraussehen. Leider müssen wir Preissteigerungen aber an die Kunden weitergeben.
Politiker fordern zum Energiesparen auf. Sind die Appelle bereits angekommen, wird weniger Energie verbraucht als in den Vorjahren?
Homann: Die Menschen sind sensibler als in den Vorjahren. Wir sehen, dass bereits Energie eingespart wird. Und die hohen Preise führen auch dazu, dass bei den Industriekunden intensiv über Einsparungen nachgedacht wird. Was bisher gemacht wird, wird aber nicht ausreichen, eine Einsparung von 20 Prozent muss gelingen.
Viele Leute kaufen aus Angst vor einem Lieferstopp oder steigenden Preisen nun Heizlüfter. Ist das sinnvoll oder droht dadurch sogar eine Überlastung der Stromnetze?
Homann: Genau das kann passieren. Die Netze sind für einen flächendeckenden Einsatz von Stromheizungen nicht ausgelegt. Da fallen irgendwann die Sicherungen raus. Außerdem ist es viel teurer, als mit Gas zu heizen. Heizlüfter sind einfach nicht effizient. Die Sorge vor einem Ausfall der Heizung kann ich den Menschen aber nicht endgültig nehmen.
Wie schaut es mit Großverbrauchern im Winter aus? Ist die Stadtwerke Eiszeit vor dem Schloss im kommenden Winter überhaupt vorstellbar?
Homann: Ein starker Stromverbraucher ist die Eiszeit auf jeden Fall. Und es wäre wahrscheinlich ein vollkommen falsches Signal, die Bürger zum Energie sparen aufzufordern und gleichzeitig eine Kunsteisbahn aufzubauen. Ich kann mir deshalb auch nicht vorstellen, dass es die Eiszeit in ihrer gewohnten Form im kommenden Winter geben wird. Allerdings sind wir nur der Sponsor, die Entscheidung liegt beim Veranstalter.
Schulen und Sportvereine haben bereits heute Angst vor kalten Klassenzimmern und unbeheizten Hallen. Sind diese Sorgen berechtigt?
Homann: Private Haushalte und soziale Einrichtungen werden auf jeden Fall so lange wie möglich geschützt und mit Wärmeenergie versorgt. Und Schulen sind soziale Einrichtungen. Über Sportstätten kann man sicherlich diskutieren. Bei einem Spaßbad stellt sich die Frage der Schließung früher als bei einer Halle für den Vereinssport. Natürlich möchte niemand seine Einrichtung schließen, das wird aktuell ja rege diskutiert. Aber wenn niemand Einschränkungen auf sich nehmen will, bringt die ganze Debatte nichts.
Haben Sie eine solche Krise erwartet?
Homann: Mit diesem Ausmaß der Krise sicherlich nicht. Auch während des Kalten Kriegs war Russland schließlich immer ein sicherer Gaslieferant. Der Weg aus der Abhängigkeit ist nun lange und auch schmerzhaft. Außerdem müssen wir dafür einen hohen Preis bezahlen. Auf jeden Fall brauchen wir schnell mehr erneuerbare Energie. Beim Ausbau von Photovoltaik und Windkraft wurde lange viel zu wenig gemacht.
Ist ein Umdenken bereits spürbar?
Homann: Auf jeden Fall. Die Anfragen nach einem Fernwärmeanschluss gehen aktuell durch die Decke und bei der Photovoltaik ebenfalls. Den Einbau einer Wärmepumpe ist ebenfalls sehr sinnvoll und auch hier gibt es beim Handwerk viele Anfragen.
Müssen Fernwärmekunden ebenfalls Angst vor kalten Wohnungen im Winter haben?
Homann: Nein. Außerdem ist das Fernwärmenetz ein zentraler Baustein zur Klimaneutralität. Deshalb wurde das Netz in den vergangenen Jahren auch massiv ausgebaut. Trotzdem werden in Karlsruhe immer noch 66.000 Haushalte mit Gas beheizt.
Werden deshalb auch Ausgaben auf den Prüfstand gestellt, etwa durch Einsparungen beim Sponsoring von Vereinen?
Homann: Unsere Kosten stellen wir immer auf den Prüfstand. Vor allem Investitionen werden sehr genau durchgerechnet. Beim Sponsoring haben wir keine Kürzungen vorgenommen. Sportvereine und Kultureinrichtungen werden durch die steigenden Energiekosten ohnehin vor große Herausforderungen gestellt. Da wollen wir nicht noch die Einnahmen durchs Sponsoring kürzen.
Und wo spart der Stadtwerke-Chef selbst Energie? Werden Sie in diesem Winter kalt duschen?
Homann: Ich dusche morgens sowieso kalt. Das ist kein Problem für mich. Die Raumtemperatur werde ich auch runterregeln. Und zwar nicht nur zu Hause, sondern auch in den Büros der Stadtwerke.
Das Interview ist in der BNN-Ausgabe vom 13.08.2022 erschienen und wurde uns freundlicherweise von der BNN zur Verfügung gestellt.